Leica SL3-S – erste Eindrücke

 

Im September letzten Jahres schlug sie bei uns auf: Das Vorserienmodell der neuen Leica SL3-S. Und sie liess die Erde ein wenig beben – zumindest symbolisch gesprochen. Doch alles der Reihe nach:

Vor etwas mehr als einem Jahr haben mein Freund Christian Habermeier und ich ein Vorserienmodell der Leica SL3 in Island getestet. Die Kamera hat uns sehr begeistert: Handling, Robustheit, Bildqualität – alles vom Feinsten. Auch der Autofokus zeigte sich im Vergleich zum Vorgängermodell SL2 verbessert, hatte aber bei ganz schnellen Motiven noch Luft nach oben. Christian und ich waren – und sind – von der Kamera so begeistert, dass wir beide unterdessen unsere Fotos im Reportagebereich mit der SL3 realisieren. Der Autofokus wurde mit Firmware-Upgrades nochmals so verbessert, dass er für die Fotografie kaum noch Wünsche offen lässt. Doch fürs Filmen ist die AF-Messlatte höher gesetzt. Und genau hier kommt die SL3-S ins Spiel:

Bis auf die Farbe des Leica-Schriftzugs sieht die Leica SL3-S gleich aus wie die SL3. Das ganze Bedienungskonzept ist ebenfalls identisch. Was die beiden äusserlich praktisch identischen Kameras im Innenleben unterscheidet, erfährst Du in diesem Artikel (Pressebild: Leica).

Die SL3-S hat mich im Feldtest überzeugt (Foto: Marco Huber).

Warum zwei Kameramodelle aus derselben Linie?

Alle Kamerahersteller bringen unterschiedliche Modelle für verschiedene Zwecke auf den Markt. Bei Sony sind es sogar so viele, dass ich offen gesprochen unterdessen den Überblick verloren habe. Leica beschränkt sich auf zwei Modelle, und das macht durchaus Sinn: Wir haben einerseits die SL3, die mit 60 Megapixeln bezüglich Auflösung kaum Wünsche offen lässt und die SL3-S mit 24 Megapixeln, deren Sensor wegen den grösseren Pixeln etwas bessere Resultate im hohen ISO-Bereich liefert und fürs Filmen besser geeignet ist. Doch wenn man mit einer Kamera filmen möchte, benötigt sie auch einen leistungsstarken Autofokus. Und – das sei gleich vorweg genommen: Hier hat Leica die Hausaufgaben gemacht. Mehr dazu später.


Arbeiten mit der SL3-S

Bei Leica zerbricht sich eine ganze Menge von Fachpersonen den Kopf, wie man die Bedienung einer Kamera so einfach und individuell wie möglich hält. Das ist insofern schwierig, als dass die Kameras ja immer mehr Funktionen haben und dadurch komplexer werden. Einfachheit in der Bedienung mit immer mehr Funktionen – das läuft sich diametral entgegen. Doch die Leute aus Wetzlar kriegen das echt gut hin: Sauber strukturierte Menunavigation, individuell programmierbare Screendarstellung, Video- und Fotomenu strikt getrennt und neu sogar farblich gekennzeichnet, sinnvolle Icons usw. Mit drei Rädern und diversen Buttons, die ich nach meinem persönlichen Gusto belegt habe, kann ich die Kamera zu 100% auf meine persönlichen Bedürfnisse abstimmen. Die Haptik der Kamera ist ein Traum, die Räder wackeln kein bisschen, nichts ist «flimsy», das Sucherbild ist klar und scharf. Der Body ist aus einem Magnesiumblock gefräst, und die Kamera ist gegen Nässe und Staub extrem gut abgedichtet.

Im Oktober 2024 gewährte uns Leica einen Blick hinter die Kulissen. Das Bild zeigt die Fertigungsstufen der Aluminium-Rückschale für die Leica SL (erste Generation). Die neueste SL-Generation (SL3 und SL3-S) hat eine Magnesium-Druckguss-Rückschale. Die Vorteile von Magnesium sind ein deutlich geringeres Gewicht und die Möglichkeit, komplexere Formen zu giessen. Auch im Material-Bereich entwickelt Leica ihre Kameras laufend weiter.

Konstanz

Wenn ich jeweils eine Testkamera erhalte, kommt sie natürlich ohne Gebrauchsanweisung. Ich muss mich also selbst zurechtfinden. Bei Leica ist man seit einiger Zeit bestrebt, das User-Interface für alle Kameralinien – Q, M und SL – identisch auszugestalten. Die Weiterentwicklung dieses Interfaces wird mit viel Sorgfalt und Augenmass betrieben, damit man sich beim Wechsel von einer Kameralinie zur anderen oder von einem älteren auf ein neueres Modell sofort zurechtfindet. Von daher brauchte ich keine Anwärmzeit mit der SL3-S. Kamera: Anschalten und los geht’s.


Innovation

Im Inneren der Kamera hat sich aber einiges verändert. Der Sensor hat zwar wie bei der SL2-S immer noch 24 Megapixel, ist aber ein neueres Modell. Und – wirklich das Markanteste und Allerwichtigste: Der Autofokus der SL3-S performt massiv besser. Er ist jetzt auf dem Level, den ich mir immer gewünscht habe für eine solche Kamera. Weil ich nicht viel von Labortests halte, frage ich Andrina Trachsel, ehem. Schweizermeisterin im Ultracycling, ob ich sie im Triathlon-Training mit der SL3-S begleiten darf – eine bessere und attraktivere Testmöglichkeit ist schwer zu finden ;-).

6.30h: Start in den Trainingstag. Andrina beginnt mit dem Warmup, meine Assistentin Chiara und ich machen das Equipment bereit (Foto: Marco Huber)

Andrina im Training

Der Tag ist erst am Erwachen, die Temperaturen sind noch eher im kühlen Bereich, und es nieselt leicht. Doch Andrina ist tough, für sie sind die Wetterbedingungen kein Problem. Für mich ist es gut zu wissen, dass die SL3-S ihr diesbezüglich nicht nachsteht. Die regnerische Stimmung sorgt für ein ganz besonderes Ambiente, und gleich zu Anfang entsteht ein Foto, das mein Lieblingsbild aus der ganzen Serie ist:

Leica SL3-S, 1/80 sec., f 2, 250 ISO, Apo-Summicron SL 2.0/35 mm. Bildbearbeitung in Lightroom
Ich hielt die Kamera knapp über die Wasseroberfläche, was ja möglich ist, weil die Q- und SL-Kameras unterdessen auch einen klappbaren Screen spendiert bekommen haben. Das APO-Summicron SL 2.0/35mm zeichnet genial, und der Unterschied zwischen der Zone innerhalb und ausserhalb des Fokusbereichs ist markant. Es sei am Rande erwähnt: Die 2.0-APO-Festbrennweiten sind trotz ihrer Kompaktheit unglaubliche Leistungskraftwerke. Natürlich sind sie nicht so klein wie die M-Objektive, aber das ist dem Umstand geschuldet, dass sie Autofokus-Objektive sind.

Montage eines SL-Objektivs aus der APO-Festbrennweitenserie (es ist das 75er). Gut zu sehen, wie komplex es im Inneren aussieht. Und obwohl das Objektiv relativ kompakt ist, hat es bezüglich Auflösung noch viel Luft nach oben. Selbst bei 60 Megapixeln ist es noch nicht an seiner Leistungsgrenze.

Der Vorteil des 24-Megapixel-Sensors liegt darin, dass er ein geringeres Bildrauschen aufweist. Selbst bei 10 000 ISO sind die Resultate noch überzeugend. 
Leica SL3-S, 1/500 sec., f 2, 10 000 ISO, Apo-Summicron SL 2.0/35 mm – ich hätte das Bild natürlich mit einer längeren Verschlusszeit realisieren können, aber ich wollte ganz bewusst einen hohen ISO-Wert erzielen. Bildbearbeitung in Lightroom (keine Reduktion des Bildrauschens).

Der AF-Härtetest

Unterdessen ist es etwas heller geworden. Bootsführer Toni ist eingetroffen. Mit viel Gespür lenkt er sein Boot so, dass ich Andrina im Wasser beim Schwimmen super fotografieren und filmen kann. Den Autofokus habe ich auf Gesichtspriorität und AF-C eingestellt, und ich bin verblüfft, wie akkurat der Autofokus arbeitet, selbst wenn nur noch Andrinas Badekappe sichtbar ist. Hier ein Beispiel:

41 Bilder in 2.2 Sekunden: Obwohl die AF-Bedingungen nicht einfach sind, packt der Autofokus der SL3-S sauber. Genau so habe ich mir das gewünscht. Und hier noch eine Sequenz aus dem Fahrradtraining:

Die Filmfunktionen

Schon bei der SL3 hat Leica eine neue Funktion eingeführt, die mich anfangs etwas irritiert hat, aber die ich unterdessen nicht mehr missen möchte: Ich kann verschiedene Filmprofile anlegen, und diese nachher im Menu blitzschnell wechseln: Ich kann beispielsweise ein 6K-Profil mit 30 fps anlegen, ein 4K-Profil mit 60 fps, ein Full-HD-Profil mit 120 fps (kleiner Wermutstropfen: 120 fps mit 4K geht leider nicht) usw. Selbstverständlich kann ich den Profilen auch unterschiedliche Codecs mitgeben. Beim Filmen kann ich blitzschnell zwischen diesen Profilen switchen. Kleiner Wunsch an Leica: Aktuell sind die Profile einfach durchnummeriert, aber toll wäre natürlich, wenn man den Profilen individuelle Namen zuteilen könnte, z.B. “Interview”, “Sport”, “Zeitlupe” o.ä.

BTS: Während Andrina elegant crawlt, hänge ich über dem Bootsrand, um sie zu filmen. Für eine bessere Kontrolle des Bildausschnitts habe ich meinen Atomos Ninja als Kontrollmonitor montiert. Aufgezeichnet habe ich aber alle Clips in der Kamera auf die CF-Express-B-Karte (Foto: Marco Huber)

Der kleine Testfilm

Für meinen kleinen Movie filme ich praktisch alles mit 59.94 fps / L-Log / 4:2:2 / 600 Mbit/s. Das verarbeitet eine normale SD-Karte nicht mehr, man muss dafür eine CF-Express-B-Karte einlegen. Die SL3-S hat wie die SL3 je einen Slot für normale SD-Karten und einen für CF-Express-B-Karten. Das macht meines Erachtens Sinn, denn man kann seine SD-Karten weiterhin verwenden, hat aber fürs anspruchsvolle Filmen die Möglichkeit, mit den CF-Express-B-Karten zu arbeiten.

Eine Sequenz filme ich mit FHD in 120 fps und rechne sie dann mit Topaz Video AI auf 4K hoch. Beim Betrachten des Films wirst Du feststellen, dass diese Sequenz gegenüber den in «echten» 4K gefilmten Sequenzen nicht abfällt. Auch im Filmbereich eröffnet das KI-unterstützte Interpolieren neue Möglichkeiten.


Während des Shootings habe ich bewusst zwischen Film- und Fotosequenzen gewechselt. Diesen Wechsel siehst Du im Film auch. Zudem habe ich ein Beispiel des Bearbeitungspotenzials mit einer Überblendung vom unbearbeiteten RAW- File zum final bearbeiteten Bild eingebaut. Die Musik hat mein genialer Freund Sebastian Bach komponiert.


Dynamikumfang des Sensors

Um den Dynamikumfang des Sensors zu testen, treffe ich mich ein paar Tage nach dem Shooting nochmals mit Andrina. An diesem zweiten Morgen ist kein Regen in Sicht, und ein wunderbarer Sonnenaufgang belohnt uns fürs frühe Aufstehen. Ich möchte Andrina voll im Gegenlicht fotografieren. Die Gretchenfrage in einer solchen Situation ist immer: mit Blitz oder ohne Blitz und danach in der Postproduction aufhellen? Urteile selbst:

Mit Blitz:

Mit Blitz: Leica SL3-S, 1/2000 sec., f 3.5, 125 ISO, Apo-Summicron SL 2.0/35 mm, Profoto A2 mit Grid, High Speed Sync. Bildbearbeitung in Lightroom.

Ohne Blitz

Hier das unbearbeitete RAW-File ohne Blitz. Ich habe so belichtet, dass ich sogar in der Sonne noch Zeichnung habe:

Leica SL3-S, 1/2000 sec., f 3.5, 125 ISO, Apo-Summicron SL 2.0/35 mm, kein Blitz

Und das Resultat nach der Bearbeitung in Lightroom:

In Lightroom habe ich Andrina um 3.5 Blendenstufen aufgehellt, das Gesicht sogar um 4.25 Blendenstufen. Der Sensor gibt das her. Natürlich macht sich in den aufgehellten Bildpartien das Bildrauschen etwas bemerkbar. Man kann das softwaremässig korrigieren, verliert aber ein wenig Details: Hier ein 100% Ausschnitt mit und ohne Denoise:

ohne Denoise

mit Denoise

Farbmanagement

Man kann Farben nachträglich in der Postproduction korrigieren. Doch es macht deutlich mehr Spass, wenn die Kamera akkurate Farben liefert. Besonders bei Hauttönen ist das wichtig. Hier ein Beispiel eines Bildes direkt aus der Kamera, ohne Bearbeitung:

Leica SL3-S, 1/400 sec., f 4, 100 ISO, Apo-Vario-Elmarit SL 2.8-4.0/90-280mm auf 111 mm, Weissabgleich «bewölkt», komplett unbearbeitet, leicht gecroppt


Wie viele Megapixel braucht der Mensch?

Zum Schluss noch ein Wort zum Megapixel-Run, der ungebrochen weitergeht: Aktuell sind wir bei den Vollformat-Topmodellen im Bereich von 50 bis 60 Megapixeln. Doch wie viele Megapixel benötigt man wirklich? Dazu ein wenig Mathematik: Inkjet-Printer arbeiten mit einer Auflösung von 200 bis 300 dpi. Lass Dich nicht von den hohen DPI-Zahlen irritieren, die die Druckerhersteller manchmal angeben. Sie rechnen teilweise die Auflösung für jeden Farbkanal. Doch für unsere Kalkulation nehmen wir die Auflösung, die Photoshop (oder jede andere Bildbearbeitungssoftware) anzeigt. Hier reichen meiner Erfahrung nach 250 dpi für ein optimales Resultat. 250 dpi sind 250 Bildpunkte pro Zoll (inch). Und da ein Zoll 2.54 Zentimetern entspricht, liegt die Auflösung für einen optimalen Print ziemlich genau bei 100 Pixeln pro Zentimeter. Das macht das Rechnen einfach: Teile die Pixel Deines Bildes durch 100, und Du erhältst die Printgrösse, die Du ohne Qualitätseinbusse drucken kannst. Bei einem 24-Megapixel-Sensor sind das 6000 x 4000 px = maximale Druckgrösse für einen optimalen Print 60 x 40 cm. Das reicht in den meisten Fällen. Doch ich wollte grösser printen. Nach einigen Tests mit Interpolier-Programmen bin ich zum Schluss gekommen, dass ich mit Topaz Photo AI die besten Resultate erziele und ich die Pixelanzahl sowohl in der Länge als auch in der Breite verdoppeln kann, ohne dass das Auge einen Qualitätsverlust erkennt. Will heissen: Ein 6000 x 4000 px-Bild kann ich auf 12000 x 8000 px interpolieren. Voraussetzung dafür ist ein qualitativ hochwertiges Ausgangsfile: Dafür fotografiere ich in RAW, bearbeite das Bild sorgfältig und exportiere es dann als 16-bit TIF für Topaz. Dort rechne ich das Bild von 24 auf 96 Mpx hoch. So aufbereitet kann ich bis 120 x 80 cm printen – oder einiges croppen und immer noch ziemlich gross drucken. Natürlich hat man mit einem hoch auflösenden Sensor noch mehr Spielraum, aber man muss dafür mehr Bildrauschen in den hohen ISO-Bereichen und weniger gute Filmergebnisse in Kauf nehmen. Dazu kommt ein merkbar höherer Speicherbedarf auf dem Rechner.

Gross printen geht: Hier mein 120 × 80 cm Print ab dem 24-Mpx-File. Natürlich müsstest Du den Druck im Original sehen, das ist mir schon klar.

Fazit

Leica hat die Hausaufgaben gemacht. Die SL3-S vereinigt die typischen Leica-Eigenschaften mit einem sehr leistungsstarken Autofokus. Für Reportagen, bei denen ich mit wenig Licht fotografieren muss und auch mal filmen möchte, ist die SL3-S für mich die ideale Kamera. Wenn Du die höhere Auflösung benötigst, ist die SL3 die richtige Wahl.

Du musst selbst entscheiden, wo für Dich die Prioritäten liegen und ob Du mehr als 24 Mpx benötigst. Im Zweifelsfall und wenn es Dein Budget zulässt, einfach beide Kameras kaufen . So hast Du, wie wir Schweizer sagen «dä Füfer und s’Weggli» (und ein leeres Bankkonto ;-)).


Und noch ein paar Fotos vom Training Day

Klicke auf die Bilder für eine vergrösserte Ansicht. Wenn Du dann mit der Maus über das Bild fährst, werden die Aufnahmedaten eingeblendet.

Ein grosses Dankeschön an Andrina, Chiara, Marco, Nicola, Toni und Sebastian. Ohne Euch wäre das Projekt nicht möglich gewesen.


 
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